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Kloster St. Johann Müstair Kloster St. Johann Müstair

Allerheiligen, Karl der Grosse inklusiv

Mit 17 Altarstellen war das Kloster St. Johann in Müstair vergleichsweise bescheiden ausgestattet. Aber auf diesen wenigen Verehrungsplätzen tummelten sich mehr als 103 verschiedene Heilige.

Die besten Plätze belegten natürlich Johannes der Täufer, Petrus und Paulus sowie Stephanus. In den Malereien haben sie noch heute eine starke Präsenz in der Klosterkirche. Andere sind in den Hingrund getreten, wie zum Beispiel der hl. Martin, dessen Altar an der Stelle der heutigen Gnadenkapelle stand. Gäbe es nicht jährlich den Bal sonch Martin mit den legendären Theateraufführungen, hätte man ihn wohl ganz vergessen. Im nördlichen Annex der Kirche pflegten die Klosterfrauen das Andenken an ihren Ordensvater Benedikt. Wer hätte gedacht, dass just auf diesem Benediktsaltar 1404 auch das Gedächtnis an den hl. Karl den Grossen gefeiert wurde. Das war die grosse Zeit der Karlsverehrung im Kloster. Seither wurde er nicht nur als Klostergründer, sondern auch als Heiliger verehrt. Die Stuckfigur Karls des Grossen in der Klosterkirche ist jedoch mindestens 200 Jahre älter. Sie bestand schon, als die romanischen Fresken kurz nach 1200 gemalt wurden. An seinem Hinterkopf ist Stuck abgearbeitet worden. Es ist durchaus möglich, dass Karl bei der Neuaufstellung unter dem Baldachin 1488 seinen Heiligenschein verlor.

Der Benediktsaltar ist nicht einfach verschwunden. Im Gegenteil: Sein Altar wurde in die Kirche übertragen, wo das barocke Tafelbild mit dem «Tod des Heiligen Benedikt» 200 Jahre lang Peter und Paul den Platz streitig machte. Erst bei der Restaurierung von 1949 fand man einen Kompromiss, indem man die Seitenaltäre in die damals neu errichtete katholische Kirche von Ilanz verkaufte. Damals ist die abgebildete Karlsfigur mit ins Bündner Oberland ausgewandert.

Wer wissen möchte, was für Heilige sonst noch in Müstair präsent waren, der werfe einen Blick in das unten zitierte Verzeichnis der Altäre oder klicke hier. Schier unerschöpflich ist auch das Reliquienverzeichnis von 1457. Darin zeigt sich, wie gross der Himmel von Müstair war.

Text von Dr. Jürg Goll

 

Jürg Goll, Müstair, Kloster St. Johann: Verzeichnis der Altäre und Altarpatrozinien, in: Archäologie Graubünden 2, Chur 2015, S. 79–129.

Jürg Goll, Karl der Große unter den Heiligen. Beobachtungen zur Verehrung von Johannes dem Täufer und Karl dem Großen im Kloster St. Johann in Müstair", in: Paul Gleirscher, Leo Andergassen (Hg.), Antiquitates Tyrolenses. Festschrift für Hans Nothdurfter zum 75. Geburtstag, Innsbruck 2015, S. 109–126.


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